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Von Cuxhaven nach Otterndorf

Montag, 13. August 2018

Von Velké Žernoseky nach Mělník

Wir begannen den Tag guter Dinge bei einem Früstück und dachten uns: Heute haben wir keine Anreise und können ganz entspannt ohne Eile fahren.
Das war ein Irrtum.

In einer Flussbeuge liegt ein See namens Žernosecký Jec. Im Dorf Píšt'any kann man dort für 20 Kronen (80 Cent) baden.

Das originellste Insektenhotel der Welt steht an einer tschechischen Straße. Es bietet auch ein "Haus für Igel" oder ein "Häuschen für Marienkäfer".

Unser letztes Übernachtungsnest lag wie so oft kurz vor einer größeren Stadt. Diesmal handelt es sich um Litoměřice (Leitmeritz). Unten an der Brücke mussten wir nur einen Hügel hinaufradeln, auf dem prächtige rosa und gelbe Gebäude aufragen, und schon standen wir auf dem Marktplatz.
Am Ostufer steht jetzt nur noch ein niedriger Hügelwall mit Weinbergen, am Westufer ist es ganz flach. Dort geht es auch zur KZ-Gedenkstätte Terezín (Theresienstadt).
Und hier mündet auch die Ohře (Eger), die aus dem Westen Tschechiens kommt, in die Elbe.

Litoměřice ist quasi die Hauptstadt des Sudetenlandes und deutlich schöner als Ústí. Deshalb haben wir dort ganz schön viel Zeit vertrödelt.
Zugleich ist Litoměřice eine irre Mischung aus Servicewüste und Serviceparadies. Auf dem Markt stehen Werbetafeln für Cafés und einen "Stunden-Ehemann", der alles reparieren kann.
Die Kassiererin am Freibad hat mich fast angeschrien, die Kassiererin am Badesee war supernett. Die Mitarbeiter der Cukrárna (Konditorei) waren zu unorganisiert, um ein kleines Eis zustande zu bringen.

Dafür haben wir in der Kathedrale des heiligen Stefan eine tolle kurze Führung bekommen, die im Eintritt inklusive war. Die Kirche war zuerst katholisch, aber zwischenzeitlich hat sich Litoměřice auch den Hussiten angeschlossen. Links und rechts stehen Gefäße mit Reliquien und den bestatteten Herzen der Bischöfe.

Weil der Untergrund und das Fundement am Kirchenschiff nicht stark genug waren, hat man den Turm einfach daneben gebaut.

Jetzt mussten wir aber langsam weiter, wir hatten ja noch kaum Strecke geschafft.

Das ist nur schwierig, wenn die Elbe mit saftigen grünen Wiesen und Badeinseln lockt. Auch Wasserskifahrer (die rechtzeitig vor dem Stauwehr abbremsen müssen) und so etwas wie Paraglider sind hier unterwegs.

Heute fuhren wir öfter auf Straßen entlang, manchmal nicht direkt an der Elbe. In den Weinbergen und Baumschulen suchten Pferde Schutz vor der Hitze.

Auch musste man gelegentlich durch solche Dörfer radeln. In Vědomice hat irgendein Witzbold die Beschilderung so aufgestellt, dass man bei konsequenter Befolgung in eine Endlosschleife gelangt.

Dort sahen wir auch schon die nächste Stadt: Roudnice nad Labem. Es handelt sich um eine der ältesten Städte Tschechiens. Hinter der Stadt ragt der Berg Říp auf, den der Urvater Čech der Sage nach bestieg, um zu sagen: Das da unten wird meine Heimat. Logisch, dass man dann auch erstmal eine Stadt errichtet, damit das wilde Land etwas wohnlicher wird.
Wir haben erstmal unterhalb der Roudnicer Skyline an einem Stauwehr mit wilder Strömung gebadet. (Ja, es war wirklich heiß, wir mussten so oft ins Wasser springen.)

Roudnice ist kleiner, niedriger, aber auch älter als Litoměřice. Leider hatten wir nicht viel Zeit, um uns die Stadt anzusehen und festzustellen, ob es Roudnice auch besser ist, denn wir hatten noch nicht einmal die halbe Strecke geschafft.
In Roudnice wechselt der Radweg erstmals in Tschechien das Ufer.

Stadtdessen sausten wir also durch weitere Dörfer. Die Elbe wendet sich hier nach Osten und macht wilde Schleifen, die unsere Strecke verlängern, auch wenn der Weg gar nicht direkt am Fluss entlangführt.
In Záluží leben gefährliche Katzen.

In Račice gibt es einen langen, rechteckigen See für Profipaddler. Wir hatten langsam Hunger und nahmen zuerst an, es müsse hier wie gestern in regelmäßigen Abständen Restaurants geben.
Das war ein Irrtum.

Wir entdeckten nur einen Imbiss (bescheuerterweise wird samstags nicht gekocht), wo wir klobásy (tschechische Wurst) und utopence ("ertrunkene" Würstchen in Essig mit Zwiebeln) futtern konnten. Das war aber nicht für alle Mitreisenden was.

Dann geht es zurück zur Elbe, vorbei an einem Sumpf, an dem wir Bisamratten beim Schwimmen beobachten konnten. Solche Sümpfe sind oft alte Arme der Elbe, die ihren Verlauf geändert hat.

Bisher fuhren wir im Ústecký kraj (Bezirk Ústí), nun wechseln wir in den Středočeský kraj (Mittelböhmischen Bezirk).
Dieser Stein zeigt die Höhe der einzelnen Hochwasser an. Der klare Rekordhalter ist 2002.

Und endlich tauchte am Horizont Mělník auf, die berühmte Stadt an der Moldaumündung und daher am Scheideweg des Elberadwegs. Die Stadt hat also eine Menge touristisches Potential. Leider versenkt sie dieses tief auf dem Grund der Moldau.

Denn die Brücke nach Mělník war marode, eingerüstet und gesperrt. Es fuhr zwar angeblich eine Ersatzfähre, aber das erfuhren wir erst am nächsten Tag. (Womöglich hätten wir sie gesehen, wenn uns nicht ein blödes Flusskreuzfahrtschiff den Blick versperrt hätte.) Es gab keinerlei Hinweisschilder.

Die einzige Möglichkeit: zurückfahren und die andere Brücke mit der Hauptstraße drauf nehmen. Die hat auch einen Fuß- und Radweg, dessen versteckten Anfang wir jedoch übersehen haben. Wir fuhren auf der Straße und mussten die Räder dann über die Leitplanke heben.

Verzweifelt und verwirrt baten wir Google Maps um Hilfe. Google Maps gab uns das hier. "Da wird schon kein Zug kommen, das ist nur ein Versorgungsgleis.", meinte der Vater.
Kurz nachdem wir alle Räder über die Gleise gehievt hatten, kam ein Zug.

Mělník sieht immerhin sehr schön aus. Am bekanntesten ist natürlich das Schloss, das wir schon vor der gesperrten Brücke (so nah und doch so fern) gesehen hatten.

Daneben fanden wir unsere nette Unterkunft am Schloss (Ubytovaní u zámku) voller Vögel und Schmetterlinge. Bei Hotels und Restaurants scheinen übrigens Frankreich und die Toskana beliebter zu sein als typisch tschechische Gestaltung. Ansonsten landen wir mit den Übernachtungen aber echt lauter Volltreffer.

Auf dem oberen Marktplatz befinden sich ein gestreiftes Rathaus, wenig Autos, ein Brunnen und breite Bürgersteige. Es muss sehr anstrengend sein, diese riesigen Bürgersteige hochzuklappen. Das wird in Mělník nämlich sehr früh gemacht.
Wir wollten nun endlich richtig essen. Es war 20:30 und wir klapperten ein Restaurant nach dem anderen ab. Niemand kochte mehr. Erst beim fünften Restaurant auf dem unteren Marktplatz wurden wir fündig. Da war einigen schon schwindelig vor Hunger.

Mělník ist zwar ein unfähiges Kaff im Mantel einer schönen Touristenstadt. Aber zwei spannende Attraktionen gibt es dann doch noch. Im Hinterhof der Touristinfo führt eine Treppe hinab in die Tiefe, denn früher war die ganze Stadt unterkellert - als Kühlschrank und Fluchtort. Stündlich werden Führungen in den Katakomben angeboten.

Zentrum der Führung und der Stadt ist der beeindruckend tiefe Brunnen genau unter dem Marktplatz (zwei Bilder höher). Nur durch das Trinkwasser konnte die Stadt überhaupt entstehen. Im dreißigjährigen Krieg warfen die Schweden Munition und Waffen rein, um ihn zu vergiften.
Die Führerin stellt wie eine Lehrerin regelmäßig Wiederholungsfragen. Klausurrelevant ist insbesondere, dass es sich mit 4,54 Metern um den breitesten Brunnen Tschechiens handelt (mit Zertifikat!)

Am bekanntesten ist Mělník aber für das hier: Die Mündung der Vlatava (Moldau) in die Labe (Elbe). Im Bild ist die Elbe ganz links halb verdeckt, die Moldau auch links und das rechts ist ein Kanal mit Schleuse, der von der Moldau abzweigt.
Die Moldau ist der größte, bekannteste und am besten vertonte Nebenfluss der Elbe. Eigentlich ist die Moldau sogar länger und wasserreicher als die Elbe, aber aus irgendeinem Grund hat man im Mittelalter trotzdem die Elbe zum Hauptfluss erklärt. Ansonsten würde heute die Moldau durch Hamburg fließen...
Viele Radler folgen der Moldau nun bis nach Prag, weil sie die Hauptstadt interessanter als die Elbquelle finden. Wir hingegen kennen Prag schon und folgen der Elbe weiterhin.
Eine kurze Beschreibung der Moldau habe ich aber auch geschrieben.

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