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Von Cuxhaven nach Otterndorf

Mittwoch, 15. August 2018

Von Čelákovice nach Kolín

Um die restliche Elbe überhaupt in den vorhandenen Urlaubstagen zu schaffen, mussten die Tagesetappen (und daher auch dieser Post) etwas länger als sonst ausfallen, vor allem heute mit 57 Kilometern - obwohl so viel Sehenswertes auf der Strecke liegt.
Deshalb beschlossen wir, schon um 8 zu frühstücken - wenn auch nicht einstimmig.

Über eine moderne Fußgängerbrücke geht es zurück ans Nordufer. (Man beachte das möglicherweise etwas unübersichtliche tschechische Fahrradschild.)

Ahoj, gute Radwege! Jetzt geht es auf Matsch und Staub durch Felder und Kuhdörfer mit Baustellen. Eines der Dörfer war kreisförmig, was eigentlich eher typisch für Südböhmen ist.

Auf den Bäumen wächst ungepflücktes Obst und auf den Feldern vor Lysá nad Labem liegen Kartoffeln, die nicht der Norm entsprechen und daher durch das Sieb der neuen Erntemaschinen gefallen sind. Das Abendessen steht!

Im Dorf Ostrá stoßen wir gleich auf die erste zeitraubende Sehenswürdigkeit: Botanicus, ein mittelalterliches Handwerkerdorf mit großer Gartenanlage.
Kinder (und Erwachsene) können dort auf vereinfachte Weise Münzen prägen, Papier schöpfen oder Papier bedrucken. Die Mittelalter-Mitarbeiter helfen den Kindern dabei, an den schweren hölzernen Hebeln zu ziehen und so. Eigentlich machen die Mitarbeiter das meiste und die Kinder leisten eher symbolische Unterstützung. Das muss für die Mitarbeiter auch ziemlich langweilig sein, alle paar Minuten dieselben mechanischen Bewegungen bei einem neuen Kind durchzuführen. Aber solange es die Kinder unterhält...

Auf dem Gelände gilt eine eigene Währung: 1 groše (Groschen) entspricht 10 tschechischen Kronen (40 Cent). Ein Eierkuchen kostet zum Beispiel 3 Groschen, eine Limonade oder eine Münze prägen kostet 2 Groschen. Zusätzlich bezahlt man natürlich noch Eintritt (knapp 4 Euro). Für Tschechen ist das teuer, für Deutsche aber fast schon spottbillig.

Auch praktizieren die Tschechen hier eine besondere museale Erlebnispädagogik, indem sie ihr Enkelkind auf einer noch funktionierenden Streckbank befestigen: "So, jetzt strecken wir den Bertík. Erst das eine Ärmchen, dann das andere, hör auf zu schreien..."

Hinten gibt es riesige Gärten mit Gänsen und Schweinen, Bienenstöcken, ganz viel moderner Kunst und hinterhältigen Rasensprengern.
Das Arboretum wurde vom ehemaligen Präsidenten Václav Havel und seiner Frau angelegt. Dort stehen viele Bäume, die von berühmten Persönlichkeiten wie Prinz Charles oder Hillary Clinton gepflanzt wurden.

Drei Labyrinthe sollte es außerdem noch geben, aber die waren eher enttäuschend. Zwei davon waren kaum fünf Zentimeter hoch und das dritte hatte im unteren Bereich so löchrige Hecken, dass man überall durchgucken konnte.

Zurück an der Elbe heißt es auf diesem Steg einmal mehr: Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt.

Vor Nymburk wurden die Wege dann wieder fest. Feuerwehrleute spritzten sie ab, aber wenn ein Radfahrer kommt, sind sie so nett und senken den Schlauch kurz.

Nun folgt eine Kette von historischen Elbstädten. Und ab Brandýs steigern sich die Städte kontinuierlich in ihrer Schönheit und Fahrradfreundlichkeit.
In Nymburk stehen große, wuchtige, gotische Bauwerke wie die Ägidiuskirche...

...oder die Stadtmauer.

Nymburk ist schon mal eine klare Verbesserung zu Brandýs. Zwar fahren auch hier viele Autos auf dem Marktplatz, aber zumindest versteht man gut, was ein Mensch direkt neben einem sagt (wenn nicht, liegt es an der extremen Raucherlunge des Kellners).
Und dieses Schnitzwerk ist doch wirklich sympathisch.

Ab Nymburk beginnt ein fabelhafter Radweg mit zerfahrenem Fallobst. Sogar am anderen Ufer gibt es eine identische asphaltierte Radroute. Dazwischen sind Raddampfer unterwegs.

Kurz darauf folgt auch schon Poděbrady. Aus dieser Stadt stammt eine beliebte tschechische Marke für Mineralwasser und Limonade. Vor dem Schloss steht eine Statue eines österreichischen Kaisers, schließlich gehörte Tschechien einst zu Österreich-Ungarn.

Poděbrady ist noch besser: Die Straßen sind fast alle sehr ruhig und die Radwege sehr breit.

Im Kurpark flanieren die Kurgäste, die in den Heilquellen der Stadt kuriert werden, neben tobendem Kindern.

Unter einem Blätterdach führt der Radweg weiter zur Mündung der Cidlina, wo er dem kleineren Fluss folgt.

Der Radweg macht einen Bogen nach Libice nad Cidlinou, wo eine alte slawische Festung stand.

Im grauen Velký Osek geht es auf schmalen Fahrradstreifen weiter.

Hier leben einige Ziegen, die ihren Hügel bereits komplett kahlgefressen haben.

Nanu, wächst hier Sanddorn? Sind wir auf einmal in Mecklenburg-Vorpommern gelandet?

Nein, wir haben endlich Kolín erreicht. Hier ist für große Schiffe Schluss. Sie könnten zwar theoretisch noch bis Pardubice weiterfahren, aber Umweltverbände verhindern das.
Obwohl die Strecke länger war als gestern und mehr Sehenswürdigkeiten bot, war der heutige Tag weniger anstrengend. Warum? Ganz einfach: Es hat sich um ein paar Grad abgekühlt. Das macht wirklich einen großen Unterschied.
Kolín erreichten wir über eine Konstruktion aus Fußgängerbrücken und einem Rondell. Die Stadt wirkt erstmal noch nicht so historisch.

Dann stießen wir auf den zweitgrößten und zweitältesten jüdischen Friedhof Tschechiens, wo die Grabsteine wild inmitten von Brennnesseln stehen. Die ältesten Steine sind von 1418.
Den Schlüssel zum Tor kann man sich am Infozentrum abholen.

Verfallene und schicke Häuser stehen nebeneinander. Die Straßen wirken noch etwas ausgestorben.

Auf dem Marktplatz herrscht allerdings Leben, Kinder spielen, Restaurantgäste quatschen, tagsüber werden Marktstände aufgebaut und der Kirchturm bimmelt. (Das Bild ist abends entstanden, da waren die Stände schon abgebaut.) Wie in jeder Stadt steht in der Mitte eine Marienpestsäule, weil die Stadt die Pest überstanden hat. Es gibt so viel Platz ganz ohne Autos! Das ist definitiv der beste Marktplatz bisher.

Leider möglicherweise nicht mehr lange: Die Partei ODS verkündet auf ihren Plakaten: "Mit uns parken Sie ein." und "Wir bringen das Leben auf den Marktplatz zurück."
Liebe Kolíner, bitte verwechselt Parkraum nicht mit Leben. Wir Touristen können euch natürlich nicht vorschreiben, wen ihr zu wählen habt, aber ich will es mal so sagen: Wir werden mit Sicherheit weniger Geld bei euch lassen, wenn es so aussieht wie in Brandýs.

Der Volksmund singt: "Kolíne, Kolíne, stojíš v pěkné rovině..." (Kolín, Kolín, du stehst in einer schönen Ebene.) Trotzdem gibt es leichte Steigungen.
Wir übernachten in der Penzion pod věží (unterm Turm) gleich neben der Bartholomäuskathedrale.

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