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Von Cuxhaven nach Otterndorf

Freitag, 28. Dezember 2018

Elde

Jetzt schreibe ich mal was über jenen Nebenfluss, der sich nur durch einen Buchstaben von der Elbe unterscheidet: Die Elde. Die ist schließlich mit 208 Kilometern der längste Fluss von Mecklenburg-Vorpommern und die zentrale Verknüpfung zwischen der Elbe und unserer Heimat. Einen Elderadweg gibt es nicht. Dennoch bin schon oft auf der Elde gepaddelt, an ihren Ufern geradelt oder gelaufen. Die Elde ist ein echt mecklenburgischer Fluss und liefert der Elbe eine Menge Mecklenburger Wasser, das sie aus Seen abtransportiert, die weitaus bekannter sind als sie.
Aber der Reihe nach. Die Elde entspringt bei Altenhof südlich vom Plauer See und fließt erstmal nach Osten.

Mit Entwässerungsgräben, Begradigungen und trockengelegten Sümpfen wird ihr sogleich der Mantel der Zivilisation umgelegt. Um dem zu entkommen, flieht sie in jene Gewässer, die in der Region noch ein wenig naturbelassen sein dürfen und die nun zu ihrem wichtigsten Fetisch werden: Mecklenburger Seen. Der Fluss scheint es sich zum Ziel gesetzt zu haben, alle wichtigen Seen der Mecklenburgischen Seenplatte zu durchqueren. Deshalb fließt sie noch nicht sofort zum Plauer See, der ja quasi direkt vor ihrer Nase liegt, sondern erst einmal durch den kleinen Massower See und Mönchsee.
Dann wird sie ehrgeiziger und mündet in den Müritzarm, der in die Kleine Müritz führt und von da aus in den Hauptteil der Müritz, Deutschlands zweitgrößten See, den wir bereits mit dem Rad umrundet haben.

Von nun an ist die Elde auf der Landkarte schwer zu finden. Man sieht gewissermaßen den Fluss vor lauter Seen nicht. Am entgegengesetzten Ende der Müritz (das Binnenmüritz heißt), kommt sie wieder aus dem riesigen See heraus, und versteckt sich in einem sumpfigen Waldgebiet. Viele Yachten, Motorboote und eine (mehr oder weniger) regelmäßige Fähre von Waren nach Malchow sind dort unterwegs.

Die Elde wird hier als Reecke oder Reeckekanal bezeichnet und hat nur kurz die Form eines Flusses, bevor die nächsten Seen kommen: Der Fleesensee, der Kölpinsee (die beiden sind noch recht groß), der Malchower See (im Bild) und der Petersdorfer See (die beiden letztgenannten sind wieder schmaler, länger und flussähnlicher). Die größte und sehenswerteste Stadt auf diesem Abschnitt ist ganz klar Malchow mit seiner Drehbrücke.

Und dann fließt die Elde schließlich doch noch in den Plauer See, nach etwa 80 Kilometern, obwohl die Quelle nur sechs Kilometer vom See entfernt ist. Genau wie die Elbe macht die Elde in ihrem Oberlauf einen großen Umweg.

In Plau am See fließt sie wieder aus dem See raus und unter einer Hubbrücke durch. Wie schon in Malchow befindet sich direkt daneben eine Eisdiele und das Ortszentrum - dieser Aufbau scheint allgemein üblich bei den Seenplattenorten zu sein.

Von nun an gibt es keine Seen mehr, die Elde wird staugeregelt. So ungefähr parallel zum Fluss verläuft der Mecklenburgische Seenradweg (von Lüneburg nach Usedom).

Die Elde windet sich weiter nach Westen und erreicht das Dorf Barkow. Dort steht eine Kirche, die aus drei Abschnitten zusammengepuzzelt wurde: Traditionelle Mecklenburger Feldsteinmauer, ein Kasten rostiges Blech und ein Fachwerkturm.

Darin läuten laut und fröhlich neue Glocken.

Barkow ist nicht irgendein beliebiges Dorf in MV, das auf -ow endet. Für zahlreiche Kinder (und Erwachsene) ist Barkow ein Ort des Abenteuers und der Musik - nämlich für diejenigen, die ein Blechblasinstrument spielen. Hier befindet sich das Landesposaunenwerk, das Bläserwochen veranstaltet. Da wird geübt, gezeltet, gesungen und sogar ein Überlebenstrainig absolviert. (Spoiler: Alle überleben.)

Die faszinierende Fixierung dieses Ortes auf Tuba, Trompete, Horn und Co. spiegelt sich extrem in der Gestaltung wieder. Überall wurden ausgediente Instrumente angenagelt.

Besonders schön finde ich den Posaunenbrunnen.

Während der Bläserwochen wird außerdem einen Tag lang auf der Elbe gepaddelt. Die Anweisungen sind klar: Kinder, paddelt eine Stunde lang in diese Richtung, bis das Signal zum Umkehren kommt! Es gibt kein Ziel.

Wie soll es auch ein Ziel geben, wenn der Fluss immer gleich aussieht? Links und rechts ist es grün, darunter befestigen graue Steine das Ufer. Aussteigen geht nicht, sobald man den hölzernen Steg des Kanuverleihs verlassen hat. Der Ausblick bleibt viele Kilometer lang so wie auf diesem Bild.

Doch dann wird die Monotonie rabiat unterbrochen! Denn alle 20 bis 30 Minuten kommt auf dem schmalen Fluss plötzlich und unerwartet eine Yacht angesaust und man muss schnell zur Seite ausweichen. Aah!

Die Elde führt danach durch das Städtchen Lübz, das für sein Bier bekannt ist, und durch Parchim. Auch die Grabower NSchokoküsse kommen von der Elde.
Und dann muss hier noch ein weiteres Dorf auf -ow vorstellen, das für mich eine besondere Bedeutung hat: Burow.

Ist das eine normale Mecklenburger Dorfkirche? Nicht ganz, der Turm sieht aus wie ein hölzern-historischer Hafenkran.

Burow wirkt zwar etwas ausgestorben, aber gut in Schuss. Es hat sogar einen Bäcker, was bei einem Dorf dieser Größe und Lage durchaus bemerkenswert ist. Wenn eine Großfamilie da einkauft und noch was für den Opa mitbringen will, ist halt nur der halbe Bestand weg.

Das war früher etwas anders. Damals gab es in solchen Dörfern kleine Dorfschulen und teilweise sogar eine Bahnanbindung. Und mit damals meine ich: Als meine Urgroßeltern hier lebten. Sie waren Dorfschullehrer und lernten sich dabei kennen. Als sie zusammenkamen, versetzte das Schulamt einen von ihnen in ein anderes. Doch so leicht ließen sie sich nicht auseinanderbringen, Opa fuhr dann einfach jeden Tag eine lange Strecke Fahrrad.

Nun wandeln wir auf ihren Spuren. Die beiden engagierten sich für das Dorf und bauten unter anderem eine hölzerne Brücke über die Elde, damit keiner mehr auf Boote angewiesen ist. Die steht allerdings nicht mehr, sie wurde durch eine Stahlbrücke mit Noppen ersetzt.

Macht nichts, es gibt noch viel beeindruckendere Spuren ihres Wirkens zu entdecken. Die beiden pflanzten damals einige kleine Pappeln an der Straße, die zur Brücke führt. Heute sehen sie so aus. Pappeln wachsen nämlich besonders schnell.

Am anderen Ufer befinden sich keine Dorfhäuser mehr, nur noch Wiesen, Felder, Wälder und Seen. Die Dorfbewohner brauchten die Brücke vermutlich, um zu ihren Äckern zu kommen, nicht um jemanden zu besuchen.

Auf den Wiesen ist genug Platz, um einen umgekehrten Handstand zu machen. Einen normalen Handstand kann ja jeder, aber einen gespiegelten (also auf den Füßen) schaffen nur die wenigsten!

Wenn man mit der eigenen Familie auf Entdeckungsreise in die Vergangenheit ist, kann es für die Älteren etwas ernüchternd sein, festzustellen, dass der Badesee der Kindheit mittlerweile Privatgrund ist, weil eine niederländische Familie daneben einen Campingplatz betreibt und einen Badeintrittspreis erhebt. Und wenn sich beide Seiten dabei möglichst uneinsichtig zeigen, kann das zu unschönen Szenen führen. ("Wir wollten nur mal gucken, sie hat hier als Kind immer gebadet."- "Ist mir scheißegal!" - "Solche wie Sie wollen wir hier nicht!")
Und so schnell ist das faszinierende Versinken in die Vergangenheit dann auch schon vorbei.

Das hier war mal eine Geflügelzuchtanlage.

Wie die meisten Flüsse hat auch die Elde stellenweise eine Alte Elde, also einen alten Flussarm, der durch Begradigungen entstanden ist. Zum Schluss teilt sie sich endgültig in zwei Teile, die separat in die Elbe fließen. Direkt in Dömitz mündet die künstliche Neue Elde alias Elde-Seiten-Kanal, und ein kleines Stück weiter östlich die Alte Elde, die sich mit der Löcknitz vermischt.

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